Samstag, 19. August 2017

Freunde und unfreundliche Löcher

Trotz dem leichten Schwanken haben wir die Nacht auf der Fähre gut überstanden.
Das Nebelhorn hören wir im Schiffsinneren kaum mehr, zum Glück. Sonst würden wir alle 2-3 Minuten aufschrecken. Wir treffen noch ein Schweizer Paar, welches Ferien macht in Neufundland. Vielleicht treffen wir uns wieder?

Als wir anlegen, herrscht schönes Wetter und es zieht uns in den Süden, zum Cape St. Marys. Als wir vom Highway auf die Hauptstrasse abbiegen hoffen wir, dass die Schlaglöcher nicht die nächsten 120km gleich tief sind. Doch genau so bleibt es. Die Kombination aus Geschwindigkeit und Unachtsamkeit kann schnell neue Pneus oder Stossdämpfer bedeuten. So schleichen wir im Slalom zum Vogelfelsen, dafür pannenfrei. Der Nebel an der Küste verzieht sich und gibt den Blick auf abertausende Wasservögel frei. Tief unter uns im klaren Wasser taucht ein Wal auf. So werden wir doch angemessen für die stressige Fahrt belohnt.
Cape St.Marys im Nebel 
Dichtestress?

Ein willkommener Besucher
Mit einem halben Ohr kriegen wir mit, wie ein Guide einer Touristin einen Tipp gibt um Wale zu beobachten. Kurzer Check auf der Karte, los da gehen wir auch hin, nur 20km. Als nach 15km immer noch nicht die richtige Verzweigung kommen will, nochmal ein Blick auf die Karte. Ups, bis St.Vincent sind es 130km. Egal, wir kämpfen uns wieder durch die schlaglochverseuchte Strasse und sind gegen 17 Uhr am Strand. Und es ist gigantisch. Der Meeresboden fällt ein paar Meter vom Kiesstrand entfernt um etwa 18 Meter ab. So können wir den Walen vom Land aus beim spielen und fressen zusehen, aus ca. 40m Entfernung. Wir sitzen stunden am Strand in unseren Stühlen und staunen. Als dann der abendliche Nebel aufzieht, verziehen wir uns auf den Parkplatz in unser Zuhause. Nach nochmaligem hinhören merken wir, dass im Camper neben uns eine Familie berndeutsch spricht. Wir sagen hallo und bald sitzen wir zu sechst im grösseren Camper bei einem Bier und erzählen uns gegenseitig was wir wo erlebt haben.
Unser erster Tag in Neufundland war sehr schön und so soll es weitergehen.
Whalewatching den ganzen Tag 


Wir schlafen schön aus und sehen am morgen nochmal ein paar Wale, jedoch sind sie am Abend weitaus aktiver. Nachdem wir den Schweizern adieu gesagt haben fahren wir zum Butterpot Provincial Park, wo wir 2 Nächte gebucht haben. Es ist ein kleinerer Park und wir etwas faul, so beschliessen wir ein Bad im See zu nehmen und dann gemütlich unser Abendessen zu kochen.
Signal Hill National Historic Site
Wir statten dem Signal Hill in St. Johns einen Besuch ab, sehen Eisberge in der Ferne und fahren dann nach Elliston um die Puffins zu beobachten.  In Elliston findet das jährliche Puffin Festival statt. Wir essen etwas Zmittag und sehen uns an den Puffins satt.


Wir möchten gerne Ehrenneufundländer werden, mit einem sogenannten Screech-In. So fragen wir am Festival am Stand einen Künstler, ob er uns dafür einen Ort empfehlen kann. Klar, ein irischer Pub in Bonavista. So fahren wir nach Bonavista und finden nach kurzer Suche das Shannon. Als wir vor der Bar stehen und nach Thomas fragen, grinst uns der Chef an und meint wir sollen noch kurz warten. Denn das Screech-In darf nicht einfach so jeder machen. Nach einem offerierten Guiness und etwas warten, kommt dann die Bürgermeisterin (!) und veranstaltet mit uns und 4 weiteren willigen die Zeremonie. Man zieht sich einen gelben Newfie-Regenschutz an, muss etwas typisch Neufundländisches Essen, der Bürgermeisterin einen unverständlichen Satz nachsagen, einen Kabeljau küssen und einen Shot Screech-Rum auf ex trinken. Et Voila, schon sind wir Ehrenneufundländer. Es war lustig und etwas Stolz machen wir uns die Suche nach einem Platz für die Nacht. Bei einem winzigen Park neben einer Brücke werden wir fündig und schlafen bald ein.
Kiss the Cod

Heute machen wir uns auf in den Terra Nova National Park. Da das Visitor Centre und Camping weiter im Park drin liegt, machen wir eine der Wanderungen am Anfang zuerst. Auf dem Weg zum Parkplatz hüpft schon ein erster Elch davon, wir sind gespannt wie viele von der Sorte sich uns noch zeigen werden.Das Wetter ist unbeständig, so machen wir eher Spaziergänge als Wanderungen, da wir die grosse Wanderung morgen bei gutem Wetter machen wollen. Der Weg führt uns 22 km entlang der Küste, auf einen Berg und wieder zurück. In der Ferne sehen wir wieder Eisberge, hoffentlich kommen die bald näher.
Ausblick über den Newman Sound
So fahren wir dann nach Twilingate, um nach Walen und Eisbergen ausschau zu halten. Als erstes machen wir einen Trail mit 4 Aussichtspunkten, von wo aus wir diverse Eisberge sehen, diesmal schon etwas näher. Auf dem Rückweg kommen wir ins Gespräch mit zwei Männern, welche den Holzsteg frisch streichen. Einer gibt uns den Tipp, im Hafen von Bridgeport nach einem Eisberg zu suchen. Zuerst fahren wir aber zum Long Point Lighthouse, wo wir endlich einen Eisberg relativ nah an der Küste sehen. So bleiben wir auch gleich über Nacht hier. Ein hübsches Expeditionsmobil steht in der Nähe von uns, und das deutsche Nummernschild verleitet uns zu einem Erkundungstrip auf Ihrer Homepage. Wir sagen Iris und Wolfram hallo und tauschen Geschichten aus. Dann gibt es Abendessen und bald ins Bett. Am Morgen ist der Eisberg noch näher an der Küste, wir machen ein paar Fotos und treffen nochmals Iris & Wolfram. Nun sind wir neugierig auf den Tipp von Cal mit Bridgeport. Als wir endlich in den Hafen einbiegen, sind wir begeistert. Ein hübscher Brocken Grönlandgletscher schwimmt unweit vom Hafenbecken. Das Wetter ist schön, windstill und praktisch ohne Wellengang. In kürze ist unser Kajak einsatzbereit und wir umrunden den Eisberg und holen uns natürlich noch etwas Eis, um unsere Drinks Stilgerecht mit Eisbergeis zu geniessen.
Ueli geniesst das Panorama



Derselbe Eisberg am nächsten Morgen

Unser Eis für die Drinks schwimmt noch hinter uns
Heute fahren wir zu den einzigen Boondockers in Neufundland, Barry und Lynne. Als Willkommensgruss bringen wir ein schönes Stück Eisbergeis. Wir werden herzlich empfangen und verwöhnt mit Drinks und Essen. Der nächste Tag wird etwas faul, wir widmen uns administrativen Dingen und einer kurzen Kajaktour. Am Abend gehen wir zu viert zum Chase-the-Ace, eine Art Glücksspiel. Wir gewinnen zwar kein Geld, dafür viele neue Bekannte. Die ehrliche, freundliche Art der Newfie’s ist herzerwärmend. Wir werden zum Abschied von den Leuten gedrückt und verabschiedet wie ein neues Familienmitglied. Wohlgemerkt nach nur 1h kennenlernen und Würfelspiele spielen! Am nächsten Morgen verabschieden wir uns von Barry & Lynne, auch hier typisch Newfie: „Falls ihr irgendwo mal in der Klemme steckt, ruft uns an, wir kommen und helfen gerne“. Barry’s ernstgemeintes Abschiedsangebot offenbart uns die Lebensweise der Newfie’s. Auf einer Insel hält man zusammen, vorallem wenn es so eine harte Lebensumgebung ist wie auf Neufundland.
Wir nehmen heute den Alexander Murray Hiking Trail unter die Füsse, über 2600 Treppenstufen bergauf und –ab.



Unser Schlafplatz findet sich bei einer Picknickarea neben einem weiteren Wasserfall.
Für den nächsten Morgen haben wir uns mit einem Mechaniker verabredet, er soll checken ob Ueli mechanisch fit ist für den Trans-Labrador-Highway. Nach kurzer Inspektion zeigt sich der erfahrene Herr beeindruckt ob des guten Zustands, speziell als er Ueli’s Alter erfährt. Zufrieden fahren wir nach Woody Point im Gros Morne National Park, wo wir ab morgen unsere Wanderlust von der Leine lassen wollen.
Die geführte Wanderung mit einem Geologen in die Tablelands ist interessant, doch unser Plan danach auf die Tablelands zu wandern wird von einer Gewitterwarnung zunichtegemacht. Also verbringen wir einen gemütlichen Nachmittag im Visitorcenter und im Trout River Camping.
Der Regen kommt
"Schlangenhaut"-Stein
Die Tablelands (links im oberen Bild) sind ein Stück des Erdmantels, auf welchem die Kruste normalerweise liegt. Hier im Gros Morne NP ist einer der einzige Ort wo so ein grosses Stück Mantel an der Oberfläche liegt. Weil das Mantelgestein Schwermetallhaltig ist, wächst praktisch nichts auf dem Untergrund (siehe Bild oben, vergleiche Hügel links mit rechts).
Sunset am Troutriver
Am nächsten Tag ist wieder gutes Wetter angesagt, so machen wir uns zeitig auf den Weg. Der Trail durch die Tablelands ist unmarkiert, der Auf- und Abstieg steil. Schlussendlich benötigen wir für die 12km über Stock und Stein 6 h, aber wir sind zufrieden alles problemlos geschafft zu haben. Auf dem Hochplateau wurden wir von einer Kariboufamilie begrüsst und an Ueli’s Scheibenwischer hängt ein Zettel. Steffi & Remo, das Schweizer Paar von der Fähre hat Ueli erkannt und hinterlässt schöne Grüsse.
Aussicht aus dem Aufstieg in die Tablelands
Familie Karibu beim Mittagessen
Für die Nacht erwischen wir den zweitletzten Platz im Lomond Campground.  Ein kurzer Spaziergang führt uns an den Meeresarm, mal schauen wie hoch die Wellen sind. Leider zu hoch um hinauszupaddeln, dafür hat es rote Stühle für unser Album. Wir fragen eine der anwesenden Damen, ob Sie ein Foto von uns schiesst. Dabei kommen wir ins Gespräch und als unsere Geschichte erzählt ist, werden wir der gesamten Familie vorgestellt – Look, they’re from Switzerland and come to Newfoundland to hike! Da es ein sonntägliches Familienfest war, gab es natürlich viel und vorallem einheimisches Essen. Da wir schonmal da sind und miteinenader im Gespräch, werden wir natürlich eingeladen. So kommen wir in den Genuss von Elchbraten, selbst eingemachtem Gemüse und Blaubeerkuchen mit Vanillesauce. Es ist extrem schön mitzuerleben, wie offen die Leute hier sind. Glücklich und satt verabschieden wir uns von der Familienfeier, besser gesagt die Leute gehen und wir bleiben. Ein strenger, aber schöner und erlebnisreicher Tag geht zu Ende und wir früh ins Bett.
Denn früh stehen wir auch wieder auf, heute erklimmen wir den Gros Morne. Nach den 4km vom Parkplatz bis zur Bergbasis folgt der steile Aufstieg durch ein Geröllfeld von 150 m.ü.M. bis 806 m.ü.M. auf dem Gipfel. Kurz kommen wir in den Genuss von dem grandiosen Ausblick, dann schiebt sich der Wolkendeckel über den Berg und wir sind im grau gefangen. Der Abstieg gestaltet sich weniger steil, dafür länger. Nach 6 Stunden sind wir zurück bei Ueli und wollen uns einen Platz auf dem Berry Hill Campground sichern. Doch hier hat es das erste Mal in einem National Park keinen Platz mehr verfügbar für uns. So machen wir uns auf die Suche und werden fündig im nahe gelegenen Rocky Harbour bei einem privaten Campground. Wir gönnen unseren Füssen eine Pause und uns eine Dusche, bevor wir auf die Idee kommen noch kurz im Dorf vorbeizuschauen. Nach den erneuten 3km (pro Weg) zum Laden und zurück sind wir dann endgültig froh nicht mehr laufen zu müssen.




Der nächste Tag zeigt sich regnerisch, und das am 1. August! Wir machen uns einen gemütlichen Tag im Green Point Campground und besuchen am späten Nachmittag noch das Visitor Centre. Pünktlich um 6 Uhr abends sind wir in Norris Point im Black Spruce Restaurant, wo wir uns zur Feier des Tages ein Dinner gönnen. Unsere Wahl fiel auf das Restaurant, weil es unter Schweizer Führung steht und bekannt ist für seine feine Küche. So werden wir auch nicht enttäuscht und verlassen Norris Point wohl gesättigt .
Heute steht am Vormittag eine geführte Tour durch die Green Point Geological Site auf dem Programm. Einer der wenigen Orte auf der Welt, man mit einem Schritt ca. 500'000 Jahre Erdgeschichte durchleben kann. Wir lauschen gebannt den Ausführungen von unserem Guide und bestaunen die gut sichtbaren verschiedenen Erdschichten vor uns. Zum Schluss begeben wir uns auf  Fossiliensuche und finden auch ein paar.
Jede Schicht repräsentiert Jahrtausende 


Fossile Algen und Einzeller
Am Nachmittag folgen wir dem Touristenstrom zum Western Brook Pond Fjord.
Wobei es eigentlich kein echter Fjord mehr ist, denn seitdem das Eis der letzten Eiszeit geschmolzen ist und somit nicht mehr soviel Gewicht auf Neufundland drückt, hat sich die Insel einige Meter erhoben. Der ehemalige Fjord ist jetzt ein mit Süsswasser gefüllter See. Da das Wasser das ganze Jahr über sehr kalt ist und wegen der fehlenden Strömung auch sauerstoffarm, hat es nur wenige tierische und beinahe keine pflanzlichen Bewohner. Dadurch bleibt das Wasser extrem sauber. Eine Pumpe welche irgendein Nationalparkgebäude auspumpte, hatte deswegen immer wieder Fehlfunktionen. Ein Sensor misst die Leitfähigkeit des Wassers, welche vorallem durch Verunreinigungen und Mineraliensättigung gegeben ist. Beim Wasser vom Western Brook Pond Fjord hat der Sensor aufgrund der schlechten Leitfähigkeit angegeben, es sei kein Wasser da zum Pumpen, und so wurde mehrmals eine Überschwemmung verursacht. Hat die Natur dem Menschen wieder mal ein Schnippchen geschlagen.
Finde den alten Mann
Western Brook Pond
Da es uns im Green Point so gefallen hat, bleiben wir noch eine Nacht und planen unsere nächsten Schritte.
Nach dem Frühstück verabschieden wir uns vom Gros Morne National Park. Unterwegs in den Norden machen wir einen Halt bei versteinerten Thromboliten
Thromboliten-Versteinerung
Ein Balanceakt 
Farbenfrohe Steine im Arch Provincial Park
Wir machen einen Abstecher in die Hauptstadt des Nordens, St. Anthony, und von da aus finden wir unseren Schlafplatz an einem kleinen See. Ausser den zwei vollen Windeln und anderem Abfall in der Feuerstelle ein sehr schöner Ort. Spät abends fährt ein Auto ein paar Meter neben uns und ein Teenie-Pärchen steigt aus. Erst werden die Sitze im Fond heruntergeklappt, um sich dann in den erweiterten Kofferraum zu legen und die Sterne zu betrachten. Vielleicht hatten die zwei auch anderes vor, doch die angriffslustigen Mücken haben uns nach ein paar Minuten um das Schauspiel gebracht. Hastig wird das Auto wieder hergerichtet und der schlimme Ort verlassen.
Heute besuchen wir den nördlichsten Punkt Neufundlands und die National Historic Site L’anse aux Meadows. Hier landeten die Wikinger vor über 1000 Jahren und schlossen somit den Kreis der menschlichen Migration rund um den Globus.
Für Morgen haben wir einen Platz auf der Fähre nach Labrador reserviert, denn anstatt von Porte-aux-Basques zurück nach Nova Scotia zu tuckern, haben wir uns für den Landweg über den Trans-Labrador-Highway entschieden.
Neufundland geht oft etwas vergessen bei der Planung eines Kanada-Trips. Leider, möchten wir betonen. Denn Land und Leute sind top, Neufundland & Labrador ist sogar Yvonnes Lieblingsprovinz geworden. Die 3 Wochen haben gerade für einen schnellen Streifzug gereicht, 3 Monate wären angemessener. Ein Grund mehr, wiederzukommen.


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